5 Tage Urlaub – ein Roadtrip zum Nachbarn
Lust auf Abenteuer, endlich mal wieder campen. Das war der Plan. Und so viel vorweg: wer beim Thema „Tschechien“ nur an Prag, „pivo“, Crystal Meth und billige Nutten denkt…der sollte vor allem weiterlesen.
Hä? Warum denn Tschechien?
Wie mein Mann Nino und ich, Wiebke, dann auf das Nachbarland Tschechien kamen, weiß ich eigentlich auch nicht mehr. Kam einfach so. Vielleicht weil es für uns die maximale Fremde nebenan war. Leicht erreichbar. Nicht teuer. Tolle Natur, Burgen, Schlösser. So weit unsere Vorstellungen. Viel mehr wussten wir nicht – und meine Teenie-Erinnerungen an dieses Land (was damals noch Tschechei hieß) waren bis auf einen typischen gebackenen Käse mehr als verblasst.
Mein Gott, ich war 14 damals. Jugendreise. Billiges Bier, klares Wasser des Sees, knutschen. An viel mehr kann ich mich nicht erinnern. Nur noch daran, dass wir wohl auch in dem Vorzeigelage der Nazis „Theresienstadt“ waren. Doch wie es war? Keine Ahnung. Wie gesagt: dieser gebackene Käse, der blieb hängen. Ich schweife ab…und ihr werdet noch merken warum.
Es war das Wochenende um den ersten Mai herum. Also mal wieder so ein Tag, an dem man „doch was machen muss“. Wir machten 5 Tage raus. Also rein ins vollbepackte Auto und im Navi erst mal „Autobahn vermeiden“ angeklickt. Das ist Pflicht wenn wir verreisen. Der Weg ist ja das Ziel, um mal eine Phrase in den Raum zu schmeißen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich keinen Plan wohin es geht, nur ne grobe Idee: alles außer Prag ist erlaubt. Warum? Erstens war ich schon drei mal dort und zweitens ist die Stadt mittlerweile so von Touristen überfüllt, als würde man alle Berliner Touristen von Alexanderplatz, Brandenburger Tor, Ku’damm und Hackeschem Markt zusammengekratzen – und zwar auf 5 Quadratmeter. Fürchterlich! Also: alles bis auf Prag war erlaubt.
TAG 1 – von Berlin nach Tetschen
Erstes Ziel: Tetschen (Děčín) – eine Grenzstadt nahe der sächsischen Schweiz. Die Fahrt dorthin war atemberaubend – ward ihr schon mal in der Sächsischen Schweiz? Nein? Das sollte sich ändern. Mein Gott ist das schön. Ist ne Mischung aus Schweiz (hey, da war ich ja noch nie) und südliches Amerika mit seinen Tafelbergen. Sieht doch fast so aus wie das „Monument valley“, oder?
Tetschen war ok, mehr nicht. Es liegt an der Elbe – umgeben von wunderschönen hügeligen Wäldern. Doch die Idylle trügt ein wenig durch die vielen qualmenden Schornsteine der dortigen Industrie. Obwohl halt, ich tue der Stadt unrecht: wir haben fantastisch gegessen. Es gab sogar Gemüse. Ihr fragt euch, warum ich das so betone? Dazu später mehr. Und laut des Campbesitzers, soll es dort ein Paradies für Radfahrer sein. Ein Glück habe ich erst beim Aufwachen am nächsten Morgen die Stadt gegoogelt. Der erste Beitrag waren News vom Vortag: „Chemieunfall nahe Dresden – 1 Toter, 16 Verletzte.“ ploppte da auf. Super! Also weg hier.
TAG 2 – von Tetschen über Theresienstadt nach Dubá
Wir wurden allerdings entschädigt – und wie: ein grandioser Ausblick vom Aussichtsturms auf dem Hohen Schneeberg. Mit Blick auf den Berg Schneekoppe (die kannte ich bisher nur aus der Werbung und er Jingle ist danach zum Ohrwurm geworden. Ihr wisst was ich meine?)
Und da waren noch die Tyssaer Wände (Tiské stěny) mit dem Felsenlabyrinths. Super! Ein Highlight sogar für uns große Kinder da durchzuklettern.
Ab da war unsere grobe Route klar: eine Rundreise oberhalb von Prag. In den nächsten Tagen durchquerten wir sechs so genannte „Gebietseinheiten“. Und plötzlich, auf unserer Fahrt durch grüne Hügel, Rapsfelder, Flieder und blühenden Obstbäumen las Nino den Ortsnamen „ Terezín“.
Kann das wirklich Theresienstadt sein? Wie gesagt: wir wollten uns bewusst nicht totgoogeln, keine Route planen und alles dem Zufall und unserem Gefühl überlassen. Aber da war dieser Name – also Abfahrt runter und tatsächlich, da war es: das Ghetto/Lager/KZ Theresienstadt. Nur langsam kamen Erinnerungen von meinem ersten Besuch mit 14 Jahren hoch. Und jetzt kann ich sagen: es ist gut, dass sie wieder aufgefrischt wurden. Ich könnte einen ganzen Artikel über dieses Erlebnis schreiben, aber das würde zu weit führen. Nur so viel: fahrt hin! Dadurch dass so viel erhalten ist, ist es um so eindringlicher.
Unser Weg führt weiter in das Landschaftsschutzgebiet „Kokořínsko“. Irgendwo dort auf einem Campingplatz schlafen – mehr hatten wir nicht geplant. Wildcampen sollte man in Tschechien nämlich besser nicht: es ist verboten! Außerdem gibt es von den sehr spartanischen Plätzen, „ Tábořiště“ genannt, bis hin zum Luxus-Campingplatz, alles. Also spart euch den Ärger. Diesen Campingplatz kann ich nur empfehlen.
Klein, familiär, ein Freiluftkino, Bade- und Anglerteich, Imbiss und Fischräucherstube, moderne Holzhütten – und das in einer atemberaubenden Natur. Check! 9 Punkte von 10. Ein Abzug weil es fast nur Frittiertes im Imbiss gab. Da dachte ich noch: „Oach…der Käse geht immer.“
TAG 3 – von Dubá über Jungbunzlau nach Božanov
Ich glaube, das war der Tag, an dem ich mein Herz an Tschechien verlor. Grund waren wohl deren typische Holzhäuser in schwarz weiß gestreift. Mein Gott wie stylisch!
Und diese Leute: durchweg nett und herzlich. Eines wurde allerdings klar: der Urlaub wird zusätzliche Pfunde mit sich bringen. Ich kenne kein Land, dass Gemüse auf dem Teller so charmant ignoriert wie die dort. Fleisch, Soße, Knödel. That’s all. Oder halt irgendetwas Frittiertes. Wenn man Glück hat, sogar Blumenkohl. Vegetarier und Veganer sollten sich deshalb zuvor mit reichlich Proviant eindecken.
Dafür gibt’s jede Menge Kultur: besonders Schlösser und Burgern. Eine von ihnen: die Burg Kokorin (Hrad Kokořín) Zwar in den 1930er Jahren teils wieder aufgebaut – aber dennoch ziemlich original. Und echt beeindruckend.
Vorbei ging die Weiterfahrt an Jungbunzlau (Mladá Boleslav), einer alten Burgstadt. Naja, da ist aber auch nun wirklich nur die Altstadt schön. Und auf dem Weg weiter: wieder etliche andere Burgen, wie der „Hrad Trosky“ mit der beeindruckenden Silhouette. Nino war auf seinem Beifahrersitz völlig aus dem Häuschen . Ich war mehr von dem abenteuerlichen Weg dorthin und der unberührten Natur geflasht. Jungs halt.
Unter diesem Wikipedia-Link kann man fast alle Burgen und Schlösser Tschechiens finden.
Die Nacht über blieben wir auf einem traumhaften Campingplatz einer holländischen Familie! Wer es noch nicht wusste: meine Schwester und ich sind halb niederländisch – klar, dass man seine Landsleute unterstützt. Und das hat sich auch echt ausgezahlt: ein wunderschöner kleiner Campingplatz am Rande des kleinen Dorfes Božanov. Vor uns nur Berge, Wiesen, Löwenzahn und Kühe. Und ganz viel Ruhe. Das Schöne wenn man mal länger dort bleiben sollte: die Stadt Braunau (Broumov) ist gleich um die Ecke.
Bosanov: für uns der östlichste Teil unserer Reise
TAG 4 – von Božanov nach Plovárenská
Eigentlich schade, dass wir dieses Stückchen Erde so früh wieder verlassen haben – aber wir wollten ihn nun mal: den Roadtrip in 5 Tagen.
Also los gen Westen und Richtung Schneekoppe. Kurz führte der Weg durch Polen – Bergrouten werden halt von Bergen bestimmt. Auch da ist die Natur einfach wunderschön. Die meisten besuchen diese Region ja nur im Winter – es soll eines der schönsten Skigebiete Tschechiens sein. Der Frühling hat mir auch gereicht: der Blick ins Tal, die abenteuerlichen Serpentinen, der Geruch von frisch gerodeten Holz…herrlich.
Unser Campingplatz war einer der wohl beliebtesten der Region und das kann ich auch verstehen. An einem Waldsee gelegen konnten wir unter Birken schlafen. Im Sommer wird es hier sicher voll – jetzt war wenig los und die Buden mit Pizza und Bratwurst geschlossen. Aber es gab ihn wieder, den gebratenen Käse. Natürlich. Aber ich konnte einfach kein Frittiertes Zeug mehr sehen. Dafür gab’s extrem gute böhmische Küche. Nur halt mal wieder ohne Gemüsebeilage.
Seltsam, diese Tschechen. Wo holen die sich ihre Vitamine her, frag ich mich mittlerweile ernsthaft. Wie auch immer. Es war der 30. April – und das heißt: Feiern! Die Tschechen machen das in der Region mit den sogenannten Hexenfeuern.
TAG 5 – von Plovárenská über Görlitz, Cottbus, den Spreewald nach Berlin
Goodbye, Tschechien, wir müssen los. Das Land verabschiedete sich mit grauem Himmel. Und dennoch warst du schön. Deine saftige Grün der Hügel. Das Lila des Flieders. Das leuchtende Geld der Rapsfelder. Das Rosa der Kirschblüten, das Weiß der Apfelbaumblüten. Alles war noch da. Trotz grauem Himmel. Wir waren wehmütig, wollten nicht weg. Wollten nicht wieder in die Großstadt. Wollten ausbrechen, auswandern, alles neu machen. Tschechienbotschafter werden oder so.
Unser Heimweg führte uns durch…halt Stopp! Zoll! Grenzkontrolle! Klar bei unserem vollbepackten Kleinwagen und einem Kapuzenpulli und Cap-tragenden Typen auf dem Beifahrersitz. Die Bundespolizisten waren sicher enttäuscht von den alten Flaschen, den angefangenen Käsepackungen und dem zum Schluss lieblos in den Kofferraum geknallten Campingzeugs…
Nun ja – durch die Lausitz nach Görlitz (wow), Bad Muskau (oh nein, bitte kein Polenmarkt) Cottbus (auch schön), die Lieberoser Heide (oh wie schön) in den Spreewald. Und der wird wohl immer mein deutscher Favorit sein. Das satte Grün, die Wasserkanäle…und heute das vierte Schlepziger Hafenfest. Wieder mit Bier, Bratwurst und Musik. Und klar auch Schmalzbrot mit Gurke. Gemüse! Endlich Gemüse!
Fünf Tage Abenteuer lagen hinter uns als wir in Berlin ankamen. Die heißersehnte Dusche wusch allerdings eines nicht ab: die schönen Erinnerungen. Die bleiben für immer. Danke Tschechien. Du bist so viel mehr als Prag, billiges „pivo“, Crystal Meth und Nutten.
5 Gründe für eine Reise nach Tschechien
- nah dran an Deutschland
- günstiges Reiseland (Essen, Trinken, Übernachtungen, Benzin)
- viel unberührte Natur
- freundliche Menschen
- zig Burgen und Schlösser
MACH’S DIR SCHÖN
Adebars Töchter
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Liebe Schwester, Du hast mich überzeugt. Da will ich auch mal hin. Ehrlich gesagt war ich noch nie in Tschechien, noch nicht mal in Prag. Und da uns mit zwei Kids bezahlbare und praktische Urlaube bevorstehen, bietet sich Tschechien wohl als Reiseziel an. Ich werde berichten, wenn’s soweit ist. MARIEKE