Menschen, die sich ihre Teller so vollschaufeln, dass sie beim Balancieren zurück zum Tisch eine Spur aus Essen auf dem Boden hinterlassen? Gehobene Kegelverein-Atmosphäre? Rentner mit einer Haut, die wie ein alter Schulranzen aussieht? Was aus einer Kreuzfahrtschiff-Gegnerin wurde, nachdem sie eine Woche aufs Schiff ging…
WHAT? Ich und Kreuzfahrtschiff?
Ganz ehrlich: ich hab mich echt nie und nimmer auf so einem Dampfer gesehen. Ich mag weder „Traumschiff“ noch Schiffstaufen. Überhaupt nicht meine Welt. Nur „Titanic“ habe ich etliche Male gesehen. Die Vorstellung allein, dass ich mit 3.000 Menschen zusammengepfercht bin, eingeschlossen in einem Metallgehäuse welches auf dem Wasser fern ab vom Land dahingleitet? Nein! Ich nicht! Mal abgesehen davon, dass das keine Umwelt-Helden sind.
Aber, wie gesagt: der Zufall wollte es so. Vielleicht war es auch Amor der mich aus meinem Trennungsschmerz meines Ex-Mannes rausholen und etwas amüsieren lassen wollte. Whatever. Die Geschichte beginnt so: mein langjähriger Lieblingsfreund Gunnar musste auf der „Mein Schiff 3“ als Dolmetscher arbeiten. Er durfte umsonst jemanden mitnehmen. Und das war ich.
Gunnar und ich sind reiseerprobt, haben bereits drei Wochen Rucksackreisen durch Indien hinter uns. Also stört da auch nicht die kleine Kabine. Dazu später mehr. Gunnar war für den Reise-Veranstalter „MS6“ unterwegs – einer der sich auf klassische Konzertreisen auf Schiffen konzentriert hat. Aus der ganzen Welt kommen Teilnehmer um zu reisen, zu dinieren, zu lauschen und andere Orte zu entdecken.
7 Tage Mittelmeer for free
Mallorca – Korsika – Italien – Frankreich – Spanien – Ibiza – Mallorca
Und ich also mittendrin – umsonst. Hätte ich was zahlen müssen, ich wär wahrscheinlich nie freiwillig auf solch ein Schiff. (By the way: habt ihr gehört, dass es einen fast originalgetreuen Nachbau der Titanic gibt? Verrückt.)
Es war Frühjahr, als es für uns zwei mit dem selbstgebuchten Flieger nach Palma de Mallorca ging. Tapas, Drinks, Schlafen, Aufstehen, los zum Hafen. Dort mussten wir erst mal einchecken. Puh! Diese Sicherheit: wie am Flughafen das Ganze. Aber ganz ehrlich: besser so! In diesen Zeiten, wer weiß…
Angekommen. Der erste Eindruck eines Kreuzfahrtschiffes, der „Mein Schiff 3“: Wow, das ist groß! Fette Wendeltreppe, riesiger Leuchter, zig Gänge, gefühlte 20 Aufzüge. Mein erster Gedanke: „Ey, hier verlauf ich mich doch gleich!“. Aber überall hängen Pläne – und ganz im Ernst: nach drei Tagen und einbiszwei Verirrungen, ist man Profi. Oder waren es vier?
Die Kabine
17qm. Klein aber fein, da passt das Sprichwort. Kleines Bad, Bett, integrierte Nachttische, XXL-Fensterbank am Fenster. Wir waren recht weit unten untergebracht – daher hatten wir nur kleine Fenster und auch keinen Balkon. Billiger sind nur noch die Innenkabinen. Aber egal. War ja umsonst.
Die Farbauswahl innen: blau, beige, holz, weiß. Passt für jeden. Und erstaunlich viel Platz im Bad. Später habe ich mal in einem Interior-Magazin gelesen, wie raffiniert die Designer solch Kabinen einrichten. Was für Gedanken die sich machen, wow!
Die Bars / Lounges
Gefühlt auf jeder Ebene findet man mindestens eine Bar. Nein, das ist gelogen, es gibt auch reine „Wohndecks“. Tatsächlich sind es 15 Bars! Mein Liebling war die ganz oben, „Außenalster Bar&Grill“. Der Ausblick und die Menschen waren dort irgendwie anders, schöner.
Ein Geheimtipp ist auch der Balkon der Champagner-Bar: da ist oft nicht viel los. Hach, oder doch die Überschau Bar wo man den Blick von oben auf den Pool hatte? So dezenter Spanner-Style? Oder die Abtanz Bar in der wir jeden Abend waren? *räusper Für jede Stimmung ist was dabei, merkt ihr, oder?
Die Qualität der Drinks waren 1a. Alles ist inklusive und dennoch haben sie feinen Markenalkohol. Damit rühmen sie sich. Zu recht, finde ich. Nichts ist schlimmer, wenn der Kater größer ist, als er sein müsste. Und nen Kater, den hatte ich das ein oder andere Mal an Bord…
Die Restaurants / Bistros
Die Auswahl ist riesig: ein Buffet-Restaurant wo wirklich jeder was findet. Ein feines Grill-Restaurant (OMG, war der Surf-and-Turf Teller mit halbem Hummer lecker – und gar nicht teuer!) Fastfood-Ecke, Sushi-Bar, zwei große, klassische A la Carte -Restaurants und noch einige mehr.
Sogar ein GOSCH gibts an Bord. Und da habe ich einen Salat mit Nordseekrabben gegessen, den ich definitiv nie in meinem ganzen Leben vergessen werde. Sooooooo viele Krabben! Ich war im Himmel, Jesus! Ganze sechs Restaurants sind all inclusive. Drei weitere Spezialitätenrestaurants bei denen man extra zahlt, wie das Grill-Restaurant mit dem Super-Lobster.
Die Qualität des Essens war wirklich besser als ich erwartet hätte. Und ich bin picky. Ok, manchmal kein optisches Highlight… aber der Krabbensalat hat die Messlatte auch extrem hochgelegt. Sogar das Brot konnte Eindruck hinterlassen. Die backen all ihre Kuchen, Brote und Brötchen übrigens selbst!
Die Personal-Küche ist unfassbar riesig – wir hatten eine vom Küchenchef geführte Tour. Mein Gott, da gibts sogar Rolltreppen drin! Rund um die Uhr kann gegessen und getrunken werden – für die späten Stunden hat das „Tag und Nacht Bistro“ offen. Klar, dass deswegen auch rund um die Uhr in der Küche gearbeitet wird.
Eines viel mir jedoch auf: viele von den Passagieren gingen zwar am Landtag von Bord, kamen aber zum Mittagessen wieder aufs Schiff. Seltsam. So nach dem Motto „Nee Günther, wir haben all inklusive bezahlt, das müssen wir doch ausnutzen.“ Dass Günther vielleicht lieber eine „echte Paella“ auf dem Marktplatz unter Palmen essen will, hat Helga sich da nicht weichklopfen lassen.
Das Ambiente
Gut, jetzt habe ich vielleicht andere Ansprüche ans Design, als manch anderer. Aber ich fühlte mich nicht unwohl. Außerdem, wie sagt man, guckt man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul.
Tatsächlich bin ich mal mit ganz bewusst offenen Augen auf Detailsuche für Fotos gegangen, und habe unglaublich schöne Motive entdeckt. Dadurch, dass so viele Klassik-Fans aus aller Welt auf dem Schiff waren, war das Publikum auch sicher anders als sonst. Mir hat das gut gefallen.
Bevor ich losfuhr, hatte ich immer Angst, dass ich da Platzangst bekomme – aber das Schiff fühlt sich so riesig wie eine Kleinstadt auf dem Wasser an. Und man trifft auch nicht an jeder zweiten Ecke ein bekanntes Gesicht vom Vortag – man kann, wenn man will, herrlich anonym sein. Aber das wollen die meisten wahrscheinlich gar nicht und wandern dann doch jeden Tag zur gleichen Zeit an die gleiche Bar um ihren Sundowner zu trinken.
Die Gäste
Zu den Gästen habe ich ja bereits einige Zeilen zuvor etwas gesagt. Jetzt noch etwas ausführlicher: viele Rentner, viele Paare, einige Familien, wenig Assis. Ein paar offensichtlich Reiche. Streit oder Auseinandersetzungen habe ich nie mitbekommen. Aber auch nicht das Gegenteil von zu viel Nähe. Haha. Also alles sehr gesittet.
Wir, Gunnar und ich, haben wunderbare Menschen kennengelernt: zwei schwule Pärchen aus der Gegend von Düsseldorf und eine wundervolle Schweizerin! Und tatsächlich haben wir noch immer Kontakt. Dazu noch ein paar wahnsinnig tolle Kollegen von Gunnar.
Und dann waren da natürlich noch die Klassik-Gäste. Spannende Menschen aus aller Welt. Die Diva aus Mexico, eingehüllt in Pelz. Die dezent mit Klunkern behangene Japanerin. Gentlemen und Kavaliere. Meist natürlich Best Ager.
Das Personal
Supernett. Aufmerksam. Höflich. Schnell. So hab ich es erlebt. Viele der Angestellten kommen aus Asien. Genauer gesagt den Philippinen. Ich kann mich daran erinnern, dass der Küchenchef das so erklärt hat, dass die eh ein Volk aus Seefahrern sind. Naja, ne Kostenfrage ist es sicher auch.
Auf so einem Schiff gibt es aber nicht nur Kellner, klar. Es gibt Gästebetreuer, Köche, Kosmetikerinnen, DJs, Floristen, Animateure, Künstler etc. An dieser Stelle muss ich vielleicht auch sagen, dass ich tatsächlich was mit dem Kreuzfahrtschiff-DJ hatte. Uuups. Ok, es waren Single-Zeiten und ich brauchte offenbar Ablenkung. Klischee? Egal.
Das Personal konnte englisch, die meisten auch deutsch. Laut Tui, der Mutter der Schiffe, leben 50 Nationalitäten friedlich zusammen auf solch einem Schiff. Ziemlich vorbildlich, finde ich. Aber ganz ehrlich: wenn es Krawall geben würde, würden wir es auch nicht mitbekommen. Auf so einem Schiff fühlt es sich an, wie in einer ganz eigenen kleinen Welt.
Die Ziele
Mallorca – Korsika – Italien – Frankreich – Spanien – Ibiza – Mallorca. Auch wenn ich alle Landgänge (bis auf Barcelona) mitgemacht habe… ich hatte nie das Gefühl von Hetze. Das hätte ich nämlich total vermutet.
Runter vom Schiff, ne Horde von Passagieren um mich herum auf dem Marktplatz, Schlange stehen an der Eisdiele (natürlich mit Mitreisenden), wieder rauf aufs Schiff. Nein, so schlimm war es nicht. Trotzdem hatte man immer ein Auge auf der Uhr – wer zu spät kommt, darf nicht mit. Ist so.
Für wen ist eine Kreuzfahrt was?
Hmm. Vorher hätte ich geantwortet: für Rentner und faule, wohlhabende Urlauber. Mittlerweile denke ich, es ist für jeden der auch mal in der Masse mitlaufen kann, etwas. Der sich drauf einlassen kann, bedient zu werden. Der sich zurücklehnen und genießen kann. Egal welchen Alters. Hauptsache man hat das nötige Kleingeld – so eine Kreuzfahrt ist nicht billig.
Wer es sich trotzdem mal leisten will, der kann im Netz nach kurzfristigen Angeboten schauen. Gerade auf dem amerikanischen Markt gibt es da echte Schnäppchen.
Urlaub auf dem Kreuzfahrtschiff: mein Fazit
Es. War. Toll! Echt. Ich wurde nicht von TUI für meinen Bericht bezahlt. Auch wenn sie so einen Bericht gerne lesen würden. Von einer, die an Bord ging, um eines Besseren belehrt zu werden. Von einer, die Kreuzfahrten schlimm, gruselig und dämlich fand. Ich werde jetzt nicht gleich die nächste Cruise buchen – aber ich werde es irgendwann man wieder tun. Bestimmt. Irgendwie ist es geil.
Was ist eure Meinung zum Thema Kreuzfahrtschiff? Seid ihr schon mal auf diese Art verreist? Oder macht ihr lieber einen großen Bogen drum?
Live happy. Live green.
Deine Adebars Töchter
Deine Wiebke
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Hallo liebe Wiebke,
Schiffsreisen (mit der Fähre nach Griechenland) standen bei uns schon immer hoch im Kurs (am Auto hing der Klappkaravan auf dem Dach der Katamaran).
Aber Kreuzfahrten waren nie auf der Wunschliste.
Dann aber waren wir mit den Hurtigruten unterwegs:
Einmal ans Nordkap – ganz entspannt. Wir waren begeistert: 600 Passagiere, super Organisation, bei herrlichem Herbstwetter die Küste entlangschippern, fast jede Nacht Polarlicht, Landausflüge auf eigene Faust und super nette Mitreisende.
So kam uns die Idee: vielleicht gibt es auch kleinere Kreuzfahrtschiffe ( max. 1000 Passagiere) , die eine Ostsee-Kreuzfahrt bis nach St. Petersburg anbieten.
Wir haben tatsächlich UNSER Traumschiff gefunden: 14 Tage einmal rund um die Ostsee (Polen, Baltikum, St.Petersburg, Helsinki, Stockholm und zurück nach Kiel).
Und jetzt?
Nächstes Jahr geht es tatsächlich mit dem Schwesterschiff (800 Passagiere) ins Nordpolarmeer und zwar zur Mitsommernacht.
Wow, Evi! Das hört sich herrlich ab! Die Polarlichter will ich auch unbedingt sehen… das muss wirklich atemberaubend sein, oder?