Hände hoch, wer als Kind nicht mindestens 50 Mal gesagt: „Mir ist sooo langweilig“! Und jetzt mal Hände hoch, wer das als Erwachsener gesagt hat? Nope? Bei all den Terminen, den To Do’s, der Wunsch nach mehr Selbstoptimierung gibt es sie kaum noch: die Langweile. Dabei ist sie so wichtig. Warum? Erzähl ich dir.
Wir machen ständig etwas – aber wozu führt das?
(Eigentlich sollte dieser Artikel ganz anders anfangen. Aber kurz bevor ich fertig war kommt mir ein Gedanke. Was Langeweile mit Corona zu tun hat und warum das ein Segen für unsere Gesellschaft sein könnte, das verrate ich dir am Schluss. Da bekommst du auch eine Liste: „10 Tipps wie du Langeweile bekommst“. Warum man so was braucht, fragst du dich? Dann lies mal weiter…)
Aber jetzt mal von vorne. Ich kenne Menschen, die sind nur glücklich wenn sie produktiv sind. Immer busy, immer drei bis 13 Pläne im Kopf, immer irgendwie getrieben. Wenn ich sage, ich kenne die, dann meine ich in aller erster Linie mich selbst. Öhm. Ich oute mich als ein Mensch, der Stillstand schrecklich findet.
Warten auf die Bahn? Handy raus. Zu früh am verabredeten Treffpunkt? Ach, da könnte man doch noch mal kurz den Eltern Hallo sagen. Oder der Freundin. Oder oder. Mir fällt immer etwas ein um mich produktiv zu fühlen. Dabei haben Philosophen schon den Feind der Langeweile ausgemacht: das Smartphone und der Kapitalismus. Ist was dran! Aber es gibt noch andere Einflussfaktoren…
In meiner Familie war und ist Produktivität enorm wichtig. Wir sind erzogen worden, dass man alles schaffen kann – auch sofort. Am besten sofort! Hatte die Hose früher vom Hinfallen ein Loch, war sie am nächsten Tag wieder heile. Unsere Mutter ist auch jetzt, im Rentenalter, wie das Duracel-Häschen. Immer auf Go, immer was zu tun. Wenn man das vorgelebt bekommt, fällt es schwer sich langweilen zu können.
„Nur langweilige Menschen langweilen sich“ – von wegen!
Mein Mann Nino ist Chill-Master! Er könnte stundenlang irgendwo im Garten liegen während ich Zäune baue, Gemüse anpflanze oder noch irgendwo was zum Streichen finde. Wer die Langweile allerdings zulässt, erlebt Wunder, meint Nietzsche. Und deswegen muss ich echt an mir arbeiten. Eher gesagt: ich will!
„Um der Langeweile zu entgehen, arbeitet der Mensch entweder über das Maß seiner sonstigen Bedürfnisse hinaus oder er erfindet das Spiel, das heißt die Arbeit, welche kein anderes Bedürfnis stillen soll, als das nach Arbeit überhaupt. Wer des Spieles überdrüssig geworden ist und durch neue Bedürfnisse keinen Grund zur Arbeit hat, den überfällt mitunter das Verlangen nach einem dritten Zustand, welcher sich zum Spiel verhält wie Schweben zum Tanzen, wie Tanzen zum Gehen, nach einer seligen, ruhigen Bewegtheit: es ist die Vision der Künstler und Philosophen von dem Glück.“
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Nietzsche beschreibt es zwar etwas komplex – aber bringen wir es mal auf den Punkt: viele Menschen haben Angst vor Langeweile. Und dabei rede ich nicht mal von Kindern. Dazu gleich mehr. Ständig bespaßt werden zu wollen, das gibt es auch bei Erwachsenen.
Ich habe einen Freund, der hat immer was zu tun. Jeden Abend eine Verabredung. An einem freien Tag sogar drei – zum Frühstück, zum Lunch und zum Dinner. Kein Scherz! Manchmal frage ich mich: mag der sich selbst nicht? Läuft er vor sich selbst davon? Braucht er ständig neue Erlebnisse um sich lebendig zu fühlen – oder um für andere eben nicht langweilig zu wirken? Ich wette, da steckt irgendwas trauriges dahinter.
Selbst für mich (die glücklich ist am Ende des Tages eine ToDo-Liste abhaken zu können) würden so viele Termine nur stressen. Ich bin gern mit mir allein. Aber ich habe eben auch immer etwas, mit dem ich mich beschäftigen kann. Doch darum geht es bei Langeweile ja nicht! Wer nicht mal die Wolken beobachten kann, verpasst wahrscheinlich die Chance seines Lebens. Warum? Erklär ich dir.
Ich will Langeweile!
Forscher haben nachgewiesen, dass Langeweile und das daraus resultierende „Gedankenwandern“ unsere Kreativität so ankurbelt, dass wir dadurch Probleme besser lösen können! Langweile hilft uns also richtig.
Manche Philosophen wie zum Beispiel Sartre meinen sogar: die Langeweile ist eine der zentralen Erfahrungen, ohne die der Mensch sein eigenes Sein nicht erkennen kann. Das ist mal eine Ansage!
Aber wie schafft man es nun, dass einem langweilig wird? Nicht, in dem man im Insta-Feed hin- und herscrollt. Auch nicht, wenn man auf dem Klo zur Zeitschrift greift oder ein bisschen gechattet wird. Um wirklich Langeweile aufkommen zu lassen, muss man stupide Dinge machen, die einen kaum fordern. Aber wie schafft man das überhaupt noch in einer Welt, wo fast keinem mehr langweilig ist? Eine Liste mit Anregungen gibt’s zum Schluss!
Langeweile – der Segen für jedes Kind
Viele Eltern denken ja, dass es besonders gut sei, seine Kinder zu fördern in dem sie sie fordern. Mit Ballett, Sport, Schlagzeugunterricht oder sonstigem. Erziehungswissenschaftler warnen allerdings davor: am besten nicht mehr als einen Termin pro Woche für ein Kindergartenkind. Ausgenommen Spielverabredungen mit anderen Kindern. Warum?
Weil es laut Fachmeinung wichtig sei, bei Kindern Langeweile aufkommen zu lassen! Es fördert nämlich nicht nur die Fähigkeit Probleme besser lösen zu können, sondern auch die eigene Kreativität. Wer sein Kind ständig bespaßt, der läuft Gefahr einen unersättlichen Multitasking-Erwachsenen zu formen der nicht mal mehr still sitzen kann.
„Wenn du der Langeweile Aufmerksamkeit zuwendest,
Jon Kabat-Zinn
wird sie unglaublich interessant.“
Und genau das ist mein Gedanke vom Anfang. Was hat Corona nun mit Langeweile zu tun und warum soll das dann auch noch positiv sein? Die drastischen Einschränkungen im gesellschaftlichen Miteinander haben viele Menschen beängstigt. Was soll man nur mit sich anfangen, wenn man nicht mehr ins Kino, in den Club, in die Kita oder nicht mal ins Büro darf?
Da entsteht viel Langeweile. Und das ist, so habt ihr gerade gelesen, richtig, richtig gut für uns! Ich glaube, es gibt viele unter uns, die sich in der Zeit ohne permanente Ablenkung gefragt haben, was wirklich wichtig für sie ist. Die plötzlich ihren Job in Frage gestellt haben oder merken, dass es zu Hause mit der Familie so viel schöner ist als bei der Galerieeröffnung mit nem Glas Prosecco in der Hand.
Ich nehme mir ab sofort auf jeden Fall ein Mal die Woche vor, Langeweile bewusst aufkommen zu lassen. Vielleicht den Sonntag endlich mal als richtigen Ruhetag begreifen – so wie er eigentlich gemeint ist. Nichts tun und Wolken beobachten oder so. Deswegen hier mal ein paar Inspirationen für mich und vielleicht auch dich?
10 Tipps wie du Langeweile bekommst (und somit kreativer wirst)
Wie tickt ihr? Seid ihr eher „Team Langeweile“ oder „Team Produktiv“? Ich freu mich über euren Input in den Kommentaren. Vielleicht habt ihr ja auch ’nen Tipp für mich, wie ich mich bewusst langweilen kann…
In diesem Sinne: Cheers, auf die Langeweile!
Eure Wiebke
Live happy. Live green.
Deine Adebars Töchter
Deine Wiebke
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