Burnout: Selbstzweifel, Hoffnungslosigkeit und Trauer – und dann zurück ins glückliche Leben

von Marieke

Optimistisch und lebensfroh. So war ich. So bin ich. Umso härter traf es mich, als ich in ein Tief reinrutschte. Erst langsam, dann immer sichtbarer. Kein Appetit. Jeden Tag am weinen. Und heute sitze ich hier. Glücklich verheiratet, mit zwei wunderbaren Kindern, vielen lieben Freunden und einem tollen Job. Ich habe das Tief überwunden – und bin daran gewachsen. 

Ein Leben im Horror-Hamsterrad

Müde wache ich auf. Lustlos und gleichgültig laufe ich zur Arbeit. Gefühlt jeder schaut mich an. Sieht man mir an, dass es mir beschissen geht? Naja, selbst ich kann mein Anblick gerade nicht im Spiegel ertragen. Und dann der lange, anstrengende Tag. Nicht mal eine Mittagspause mache ich. Wieso auch? Hunger habe ich ja eh keinen. Abends gibt’s ne Stulle, ein Vitamalz und dann geht’s heulend ins Bett. Ausruhen für den nächsten Tag.

Diagnose Burnout

Bis zu meinem 30. Lebensjahr war mein Leben rosarot. Alles lief so, wie ich es mir wünschte. Und selbst Umwege oder kleine Tiefen gehörten selbstverständlich dazu. Rückblickend würde ich nichts anders machen. Doch dann stellte das Leben mich auf die Probe. Hand aufs Herz: Ich hatte einen Burnout.

Ein Burnout ist eine Form der Depression. Sie äußert sich bei den einzelnen Menschen unterschiedlich. Bei mir war es ein schleichender Prozess.

Nur ein Trend? 

Von Burnout hatte ich mal am Rande etwas gehört. Aber nicht viel. Wieso auch? Es betraf weder mich noch meine Bekannten. Aber auf einmal war die Diagnose da und ich hörte und las an jeder Stelle davon. Was war passiert? Bin ich nun sensibilisiert für das Thema? Ist es das gleiche Phänomen, als wenn Schwangere auf einmal nur Babybäuche sehen?

Die Zahlen sprechen für sich:

14,7 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitstage lassen sich mittlerweile auf psychische Erkrankungen zurückführen (Quelle: www.management-circle.de). Jeder zweite Bundesbürger fühlt sich von Burnout bedroht. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer leidet zumindest hin und wieder unter Rückenschmerzen, anhaltender Müdigkeit, innerer Anspannung, Lustlosigkeit oder Schlafstörungen. (Quelle: www.aerzteblatt.de)

Stress und die Herausforderung, das Leben zu bewältigen, machen uns krank!

Eine von Vielen

Ich war also eine davon. Erkrankt. Und krank bin ich nicht gerne. Außerdem konnte man ja nichts sehen. Kein Bruch, keine Narbe oder sonst was. Wer mich kennt, konnte meine Veränderung jedoch wahrnehmen.

Meine Eltern waren es, die mir letztendlich dabei geholfen haben, zum Arzt zu gehen. Meine Familie, mein Halt.

Meine Familie – immer für mich da

Ich wollte nicht irgend einem „Trend“ hinterherlaufen, sondern hatte einen richtigen Zusammenbruch. Selbst die Ärztin sagte zu mir: „Ich diagnostiziere es ungern und selten, aber Du hast einen Burn Out.“ Aber wie kam es dazu?

Helfen bis zur Selbstaufgabe

Mein Mann hatte damals das Pech, in die Generation Praktikum zu rutschen. Falsche Jobversprechungen und Stillschweigen seitens Unternehmen und Ministerien nach Stellenausschreibungen machten ihm zu schaffen. Ich unterstützte ihn mit all meiner Kraft und versuchte ihn immer wieder aufzubauen. Aufgrund des fehlenden Einkommens wurden unsere geliebten Ausflüge fast eingestampft. Vom lecker Essen gehen mal ganz zu schweigen.

Was mich am meisten mitgenommen hatte war die Wesensveränderung meines Mannes. Aus einem Optimisten wurde ein Pessimist. Aus einem lachenden Menschen ein weinendes schlecht gelauntes Bündel. Aber Stopp, es geht hier ja nicht um ihn, sondern um mich.

Eventmanager: einer der 10 stressigsten Jobs

Neben dem „Projekt Mann“ hatte ich noch meinen 40 Stunden Job. Ehrlich gesagt waren es viel mehr als 40 Stunden, denn ich arbeitete zu der Zeit noch in der Eventbranche. Meine Arbeit machte mir viel Spaß, doch sie verlangte mir auch viel ab. Nicht nur zeitlich gab ich alles. Auch die Gedanken an meine Projekte nahm ich mit ins Bett.

Und dann kam es: mein Traumjob. Ich konnte bei der No1 Eventagentur als Projektmanager anfangen zu arbeiten. Doch leider erwies sich der Job nicht als Traum. Bereits an Tag zwei saß ich heulend auf dem Sofa meiner Freundin und musste einsehen, dass dieser Job nicht das ist, was er zu sein schien.

Meinem Bauchgefühl vertraute ich damals nicht. Stattdessen entschied sich mein Kopf dafür, den Job mindestens ein Jahr zu machen.

Dann kam die Appetitlosigkeit und Gleichgültigkeit

Privat konnte ich die Anstrengung im Job nicht verarbeiten. Mein Mann hatte inzwischen einen Job in Frankfurt und wir führten eine Fernbeziehung. Wie sich herausstellte, ist das nicht das Modell, das sich für uns beide eignet. Uns fehlten die austauschenden Blicke, bei denen man genau weiß, wie es dem anderen geht. Hinzu kam noch die beidseitige Unzufriedenheit im Job.

In der Woche saß ich abends allein zu Hause. Das einzige was ich tat war weinen, in die Badewanne gehen und ein Vitamalz trinken. Hunger hatte ich schon lange nicht mehr. Auch zur Mittagszeit ging ich nur noch selten zum Essen raus. Stattdessen gab’s etwas CousCousSalat vorm Rechner. Und wer mich kennt weiß, dass ich normalerweise immer ne große Portion verdrücke.

Ein weiteres Symptom war die Gleichgültigkeit. Auf einmal war mir der Job egal. Dabei bin ich von Natur aus eine leidenschaftliche und gewissenspflichtige Arbeitnehmerin. Immer 100%, mit dem Ziel einen zufriedenen Kunden zu haben, ein motiviertes Team und (finanziell) erfolgreiche Projekte. Diese mir unbekannte Gleichgültigkeit erschreckte mich.

Nicht nur im Job schlich sich Gleichgültigkeit ein. Auch im Privaten. Eines Tages  kam mir der Gedanke: „Wenn ich jetzt vom LKW überfahren werden sollte, dann ist es ja auch nicht so schlimm“.

Im Fokus Aller und dennoch allein

Fremde Blicke auf der Straße konnte ich nicht mehr ertragen. Jeder Blick sagte mir: „Was ist denn mit der los?“

Auf Partys tanzte ich mit meinen Freunden. Aber gefühlt stand ich im leeren Raum.

Alles nur Kopfkino. Doch in diesen Momenten war es die gefühlte Realität.

Der Sprung zurück in die Normalität 

Wie habe ich es geschafft, dem Horror zu entfliehen? Das Leben wieder zu genießen und Hoffnung zu schöpfen?

Ich war zu Besuch bei meinen Eltern. Mich erholen. Doch kurz vor der Abreise brach mein Vater ein von mir auferlegtes Tabu und fragte mich nach meinem Befinden. Für mich war das in der Situation schon zu viel. Ich schrie, weinte und floh ins Bad. Meine Mutter kam und nahm mich in den Arm. Sie war einfach für mich da. Hielt mich.

Meine Eltern konnten mir vor der Abreise zurück nach Berlin Mut zusprechen, mich vielleicht doch mal krankschreiben zu lassen. Doch ich zweifelte: War ich denn krank?

Berlin. Zu Zeiten meiner Depression eine für mich viel zu große und hektische Stadt.

Ein schwerer Schritt: der Gang zum Arzt

Mutig ging ich am Montag zum Arzt. Ich hatte mir eine Liste aufgeschrieben, warum ich bitte krankgeschrieben werden möchte – obwohl ich meiner Meinung nach ja nicht echt krank war. Weinend saß ich im Sprechzimmer. Leider zeigte der Arzt wenig Empathie. Trotzdem schrieb er mich für zwei Wochen krank. Meine Mutter fuhr noch am selben Tag drei Stunden, um mich abzuholen. Denn fürs selber Autofahren war ich nicht mehr in der Lage.

Es folgten zwei Monate bei meinen Eltern. Sie sagten nicht viel. Sie waren einfach für mich da. Meine Mutter mit Liebe und einem offenen Ohr. Mein Vater mit guten Ratschlägen. Zu Beginn waren diese zu viel für mich. Rückblickend bin ich ihm dankbar dafür, mir z.B. Gedanken über Krankengeld zu machen.

Ärztin mit Herz

Auf dem Land hatte ich zum Glück eine verständnisvolle Ärztin. „Ich diagnostiziere es ungern und selten, aber du hast ein Burnout. Aber zwei Wochen Krankschreibung helfen dir derzeit nicht. So denkst du immer wieder an die Arbeit. Ich schreibe dich erst einmal einen Monat krank“.

Bis heute bin ich ihr dankbar dafür, denn so konnte ich wirklich abschalten.

Turning Point

Irgendwann konnte ich wieder zaghaft lachen, essen und mich über Kleinigkeiten freuen.

Das Lächeln kehrt zurück

Mein heutiger Mann, und damaliger Freund, kam mich regelmäßig besuchen. Irgendwie haben wir es geschafft, wieder normal miteinander zu reden. Etwas, zu dem ich in den vorangegangen Monaten nicht in der Lage war. Denn entweder weinte ich, oder ich habe mich benommen wie eine Furie. Noch heute erinnere ich mich an Situationen, bei denen ich mich damals schon vor mir selbst erschrocken habe.

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Jan ist zum Glück nicht weggelaufen, sondern bei mir geblieben

Ein Bilderbuch als Rettungsring

Viele Merkmale bzw. Macken haben mich in der Zeit begleitetet. Richtig verstanden habe ich mich erst, als mein Mann mir das Buch „Mein schwarzer Hund“ geschenkt hat. Keine Worte, nur Zeichnungen. Und diese trafen ins Schwarze. Auf einmal fühlte ich mich verstanden. Auf vielen Bildern erkannte ich mich wieder. Scheinbar war ich nicht alleine mit meinem Problem.

Dinge ins rechte Licht rücken: die Gesprächstherapie

Neben dem „schwarzen Hund“ habe ich mir professionelle Hilfe gesucht. Ich hatte das unsagbare Glück schnell an eine Verhaltenstherapeutin zu kommen, anstatt Monate auf einen Termin zu warten. Sie hörte mir zu, hinterfragte mein Tun und meine Gedanken und gab mir Hausaufgaben. Aufgaben, bei denen ich lernte Dinge wegzudelegieren, Zeit für mich zu nehmen und Dringlichkeiten zu sortieren.

Nach dem Sonnenuntergang kommt auch der Sonnenaufgang. Versprochen.

Und wie geht’s weiter mit dem Job?

Zurück zu meinem Job ging ich nicht mehr. Die bloße Vorstellung ließ mich erschauern. Zudem wollte ich nicht in einer Agentur arbeiten, bei der schon mehrere Mitarbeiter ein Burnout erlitten hatten. Die Angst, überhaupt wieder arbeiten zu gehen, begleitete mich. Schaffe ich das?

Doch mit der Zeit wuchs mein Selbstvertrauen wieder. Und so kam ich schneller an meinen (Traum)Job in einer Hilfsorganisation, als gedacht. Von da an ging alles bergauf.

Was ich aus dem Burnout gelernt habe

  • Anderen Menschen helfen ist gut. Doch niemals wieder werde ich mich dabei selbst vergessen. Denn ich selbst bin für mich der wichtigste Mensch. Nur wenn es mir gut geht, kann ich auch anderen Menschen helfen.
  • Verabredungen auch mal absagen, auch wenn ich eigentlich Lust hätte. (Sozial)Stress tut nicht gut.
  • Zeit für mich nehmen. Einfach mal hinsetzten und Nichts tun. Lesen, meditieren, faulenzen. Und wenn es nur eine Viertelstunde ist.
  • Das Leben ist nicht immer rosig. Tiefen gehören zum Lebensweg dazu. Aber aus jedem Tal kommt man gestärkt und mit neuen Weisheiten im Gepäck wieder auf dem nächsten Gipfel an.
  • Einfach mal Sachen liegen lassen. Auch wenn es mir bis heute schwer fällt, so kann ich inzwischen auch ab und an mal den Abwasch stehen lassen.
  • Der wichtigste Halt in meinem Leben ist mein Umfeld, vorrangig meine Familie. Mit viel Verständnis und Liebe kann man alle Hindernisse bewältigen.
  • Eine Beziehung sollte man nicht bei Schwierigkeiten sofort beenden. Obwohl wir damals noch nicht verheiratet waren war unser Motto: „Das Fundament unserer Beziehung stimmt. Wir halten zusammen – in guten wie in schlechten Zeiten“.
Zusammen – in guten wie in schlechten Zeiten

Ich bin nicht glücklich darüber, dass ich ein Burnout hatte. Es war die bisher schlimmste Phase meines Lebens. Ein depressiver Zustand, den ich niemandem Wünsche. Aber ich bin dankbar diese Erfahrung gemacht zu haben. Denn nun gehe ich noch bewusster und dankbarer durch das Leben.

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Rückblickend hat alles seinen Sinn

Live happy. Live green.
Deine Adebars Töchter

Deine Wiebke

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